Dipl. Elektroing. Hans-Joachim Otto - www.2o2t.de

Elektronik-Tipps vom Sachverständigen

USV-Systeme - ein Leitfaden

Kaum ein Server-System wird ohne eine USV – unterbrechungsfreie Stromversorgung betrieben.

Aber sind die Systeme auch so zuverlässig und können Anomalien der Netzspannung auch sicher kompensiert werden?

In den letzten Jahren mehren sich die Fälle, wo es trotz (oder wegen) USV-Systemen zu Schäden an IT-Systemen kommt. Oft sieht man in Ortsterminen insbesondere im Zusammenhang mit einer Schadenbewertung sehr hochwertige IT-Systeme, die an relativ preiswerten USV-Systemen betrieben werden. "Hauptsache die Leistungsabgabe stimmt" scheinen sich viele IT-Dienstleister zu denken. Dabei ist der technologische Aufbau der USV maßgeblich für die Funktion und den Schutz der angeschlossenen Systeme gegenüber Einflüssen seitens der netzseitigen Spannungsversorgung.

Dieser Artikel soll Hilfestellungen geben, geeignete Systeme auswählen zu können und diese dann auch richtig anzuschließen.

Grundlagen - Funktionsprinzip

Klein-USV-Systeme

Kleine USV-Systeme kosten oft nur wenige hundert Euro, liefern durchaus 750 VA ("Watt") und mehr - und versorgen dann teure IT-Systeme.

Diese USV-Einheiten basieren auf der salopp "Offline-USV" genannten Technologie. Dabei wird der Ausgang im Normalfall direkt vom Eingang gespeist, es sind mehr oder weniger aufwändige Filter zwischengeschaltet.

Kommt es zu einem Spannungsausfall im 230V-Netz, schaltet die USV auf Batteriebetrieb um. Soweit die Theorie!

In der Praxis gibt es folgende Einschränkungen, die einen Betrieb dieser Systeme nicht empfehlenswert machen.

  • In vielen Klein-USV-Systemen ist der Batteriepack in einem unbekannten Status. Die eingesetzten Blei-Batterien haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Der Status der Batterien kann von diesen einfachen Systemen nicht zuverlässig erkannt werden, man betreibt derartige Systeme also weitgehend „blind“. Schaltet diese Einheit dann mal bei Spannungsausfall um, versagen oftmals die Batterien und der Ausgang ist spannungsfrei. Die angeschlossenen IT-Systeme damit ebenfalls.
  • Ist der Akku in einem guten Zustand, gibt es trotzdem viele netzseitige Einflüsse, die dieses USV-Prinzip nicht ausmerzen kann. Kurzzeitunterbrechungen, Spannungsspitzen und Spannungsschwankungen sind hier zu nennen.

„Vollwertige“ USV-Systeme

Mit diesem Begriff bezeichne ich die landläufig unter "Online-USV" bezeichneten Systeme (Doppelwandlertechnik, VFI-SS-111). Diese erzeugen die Ausgangsspannung immer über einen separaten Wandler aus der Batteriespannung. Die Batterie wird aus einem Gleichrichterkreis permanent geladen. Mit dieser Variante werden alle netzseitigen Kurzzeit-Störungen eliminiert.

Bei hochwertigen Systemen wird zudem regelmäßig eine Batterieüberwachung durchgeführt, indem der Gleichrichterkreis langsam heruntergeregelt und damit die Batterie immer mehr belastet wird. Hält diese der Belastung stand, sind die Batterien in Ordnung. Hält der Batterie-Pack (immer bestehend aus mehreren Zellen) die Ausgangsspannung nicht, erkennt man den Batterie-Defekt, der aber nicht zu einem Problem führt, die Ausgangsspannung bleibt im Test stabil. Die defekte Batterie kann dann ausgetauscht werden.

Diese Systeme sind die teuerste Variante, aber auch die beste.

"Hybride" Systeme (Line Interactive)

Mit den Line-Interactive-Systemen hat man versucht, das Beste aus beiden oben beschriebenen Systemen zusammen zu führen. Diese Systeme sind schon besser als die "Offline-USV", aber längst nicht so gut wie die "Online-USV".

Tipp aus der Praxis

Lassen Sie sich nicht nur von den Leistungsangaben beeinflussen. Die Online-Variante kostet meist ab 800€ aufwärts. Die Vorteile sind aber so gravierend, dass aus meiner Sicht eine preiswerte Variante nicht gewählt werden sollte.

USV-Anschaltungen

Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) sind in der IT praktisch als Standard anzusehen, niemand möchte, dass bei einer Netzspannungsunterbrechung die Systeme funktionell beeinflusst werden und ggf. definiert herunterfahren.

Die allgemein mit „Online-USV“ bezeichneten Systeme (Doppelwandlertechnik, VFI-SS-111) stellen dabei zweifelsohne die beste Lösung dar.

Nachfolgend wird eine weit verbreitete Theorie der (vermeintlich) besten Beschaltung dargestellt, mit den sich daraus in der Praxis ergebenden Problemen, die erst im Schadenfall deutlich werden.

Theorie der richtigen Beschaltung

Viele Server verfügen über gedoppelte Netzteile, um an dieser Stelle eine Redundanz zu haben.

Bei der Anschaltung an USV-Systeme werden allgemein folgende Varianten präferiert:

In der ersten Variante wird eines der Netzgeräte über die USV versorgt, das andere direkt über die Netzspannung.

Die etwas aufwändigere Lösung wird wie folgt umgesetzt:

In der Theorie wird die zweite Variante die höchste Ausfallsicherheit bieten, es kann ein USV-System ausfallen, dazu auch ein Netzteil.

Die Praxis – Schäden an IT-Systemen

Als Sachverständiger, der mit der Schadenbearbeitung insbesondere von Versicherungen beauftragt wird, sieht man auch Schäden, die normalerweise nie entstehen dürften.

Solange ein Netzspannungsausfall mit klaren Flanken stattfindet, ist normalerweise die Situation unkritisch. Es treten aber oft auch andere Zustände auf, dabei kommt es zum „Flattern“ der Spannung, die dann zwischen 0 und der Nominalspannung im Takt von 25-100 Millisekunden hin und herwechselt.

Variante 1

Wenn es zu diesem Flattern der Netzspannung kommt, also mehrere kurze Einbrüche auftreten, entsteht bei der Variante 1 mit der einen USV in den Netzteilen der IT-Systeme eine Art „Eigenleben“. Das eine Netzteil, welches über die USV versorgt wird, erkennt eingangsseitig keine Besonderheiten, muss aber am Ausgang unterschiedliche Lasten treiben, da das zweite Netzteil, welches direkt an der Netzspannung angeschlossen ist, durch die Spannungsschwankungen betroffen ist und damit aussetzt.

In der Schadenpraxis sind schon diverse Schäden aufgetreten, wo in den so beschalteten IT-Systemen ALLE Komponenten, sogar die Festplatten elektronisch defekt waren. Es muss also in den einzelnen Systemen zu einer Spannungsüberhöhung auf der Gleichspannungsseite gekommen sein.

Ich gehe davon aus, dass dies Lastwechselreaktionen sind, die durch die komplexen Lasten auf der Gleichspannungsseite der Netzteile in den IT-Systemen entstehen. Anders lassen sich die stets gleichen Schadenbilder nicht erklären.

Die Netzteile müssen ja mit den Gleichspannungs-Ausgängen im Gerät zusammengeschaltet sein, daran angeschlossen die Lasten aus Festplatten, Speichern und Prozessoren. Das Ganze ist dann ein Schwingkreis, der mit einem äußeren Ereignis (Spannungsausfall) angestoßen wird. Wenn das Regelverhalten der Netzteile in den Geräten nicht mehr zum Ausgleich ausreicht, entstehen diese Spannungsüberschwinger mit Folgeschäden.

Variante 2

Um diese Probleme der Variante 1 zu umgehen, wird oft eine zweite USV beschafft und wie in der entsprechende Grafik oben verdeutlicht, angeschlossen.

Im Normalfall ist dies sicher in Ordnung, die für die Variante 1 benannten Probleme mit Lastwechselreaktionen können erst einmal nicht passieren, da die Ausgänge der USV stabil sind.

Ist aber der Spannungsausfall etwas länger und die USV-Überbrückungszeit wird überschritten, gibt es wieder ähnliche Probleme. Die USV-Systeme veranlassen ein Herunterfahren der angeschlossenen Systeme und schalten sich dann nach einer Wartezeit selbst ab. Die Akkus sind in diesem Status weitgehend entladen und nicht mehr nutzbar.

Bei Spannungswiederkehr schalten die USV-Systeme normalerweise (einstellbar) den Bypass durch, um die Versorgung der Systeme direkt aus dem Netz zu ermöglichen. Der Ladebetrieb der Akkus beginnt.

Wenn hier beide Systeme wieder gleichzeitig schalten, ist alles in Ordnung.

Kommt es aber zu zeitlichem Versatz, vielleicht schaltet ein Bypass altersbedingt nicht sauber durch, dann entstehen u.U. die gleichen Probleme wie in der Variante 1.

Die entsprechende Schadenhäufigkeit ist in der Variante 2 natürlich wesentlich geringer, weil die Dauer eines Netzspannungsausfalls in Mitteleuropa in der Regel sehr kurz ist.

Empfehlung

Nach den Erkenntnissen aus der langjährigen Schadenpraxis sollte die folgende Variante in Betracht gezogen werden:

Sollte die USV ausfallen, schaltet diese automatisch auf Bypass, also die Netzspannung durch. Für die Netzteile ergibt sich damit kein kritischer Zustand.

Nun sollte nur die USV möglichst bald repariert werden.

Andere Schadenbilder

Es gibt noch weitere Schadentypen, die insbesondere mit preiswerten (wenn nicht sogar „billigen“) Mini-USV-Systemen entstehen.

Häufig findet man bei der Schadenbegutachtung komplexe Lasten wie beispielsweise Storage-Systeme, die über diese Mini-USV-Systeme versorgt werden.

Der Schaden an der Peripherie ist schon vorprogrammiert, da die Einschaltströme der Lasten von diesen USV-Systemen nicht bewältigt werden können.

Was passiert nun beim Spannungsausfall.

Die (in der Regel) Offline-USV erkennt, dass sie übernehmen muss und schaltet den Ausgang auf den batteriegepufferten Ausgang durch. Dieses Umschalten dauert optimalerweise zwischen 25 und 50ms. Diese kurze Spannungsunterbrechung führt zu einem erhöhten Stromfluss zum Netzteil, was die USV aber überlastet. Die Ausgangsspannung bricht undefiniert zusammen.

Für die Netzteile der IT-Systeme gibt es keinen definierten Spannungsausfall, die Folge kann beispielsweise eine Dateninkonsistenz sein.

Die Datenrettung kann dann erhebliche Kosten verursachen und dauert ….

Aus Sachverständigen-Sicht kann man daher nur die dringende Empfehlung aussprechen, an den USV-Systemen nicht zu sparen, auf den Online-USV-Typ zu setzen und auf das Vorhandensein des internen Bypasses zu achten.

Wartung

Leider ist es oft so, dass USV-Systeme angeschafft und dann „vergessen“ werden. Das kann aber zu äußerst kritischen Situationen führen.

Die meistens verwendeten Blei-Akkus altern, ein völlig normaler Vorgang. Daher sollten diese Komponenten alle 4-5 Jahre ersetzt werden.

Da dies aber oft nicht erfolgt, entsteht durch chemische Vorgänge im Akku-Inneren ein Überdruck – die Gehäuse blähen sich auf und können auch platzen. Das sollte ein Warnzeichen sein, man müsste nur hinsehen.

Durch weitere Veränderungen in den Akku-Zellen kann sich eine Zelle so weit erhitzen (insbesondere durch den Ladestrom verursacht), dass sie brennt. Damit brennt dann in der Regel der gesamte Akkupack.

Die Hersteller geben oftmals eine Lebensdauer von 10 Jahren an. Man muss aber die dazu benannten Spezifikationen durchlesen. Die dabei geforderten Temperaturen sind praktisch nie realisierbar.

Tipp: Nach spätestens 6 Jahren sollte ein Austausch erfolgen, besser schon vorher.